Am Montag Mittag veröffentlichte der Börsenverein des deutschen Buchhandels und GfK Panel Services zum zweiten Mal die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 410 Sortimentern, 348 Verlagen und 10.000 Privatpersonen zum deutschen E-Book-Markt im Jahr 2011 sowie zu den Prognosen für die kommenden Jahre. Schon kurz nach der offiziellen Vorstellung der Studie erschien auf ZEIT ONLINE ein Kommentar zu Pressemeldung und Studie unter der Überschrift “E-Book-Verkauf bleibt hinter Erwartungen zurück“.

Offen gesagt, lassen mich schon Überschrift und Teaser etwas ratlos zurück. Denn dort wird behauptet, das Geschäft mit E-Books “stocke” in Deutschland. “Zwar wurden 2011 doppelt so viele elektronische Bücher verkauft wie im Jahr zuvor. Doch der Anteil am Umsatz bleibt gering.”

Wenn ich die Zahlen korrekt lese, dann hat sich der Marktanteil von E-Books in Relation zum gesamten deutschen Buchmarkt (“ohne Fachbücher und Schulbücher”) innerhalb eines Jahres verdoppelt, von 0,5% im Jahr 2010 auf 1% im Jahr 2011. In Zahlen bedeutet das: Der Verkauf von E-Books stieg von 2,0 Millionen E-Books auf 4,7 Millionen im Jahr 2011. Buchreport erwähnt, dass dies einem Umsatz von 38 Million EUR entspricht. Ich bin mir nicht sicher, ob man bei einer Verdopplung des Marktanteils und der verkauften Inhalte von einer Stockung sprechen kann. Und meiner Kenntnis nach gibt es auch keinerlei Anzeichen (abgesehen vielleicht von einem möglichen, leichten Umsatz-Rückgang zum Jahresbeginn), dass sich die Entwicklung im Jahr 2012 nicht genau so fortschreibt und dass für das Jahr 2012 nicht ebenfalls eine Verdopplung des Marktanteils auf zwei Prozent zu erwarten ist.

Erst 49% Prozent der deutschen Verlage haben im vergangenen Jahr E-Books publiziert. 86% der Verlage planen aber den Einstieg in das digitale Geschäft in diesem oder den kommenden Jahren. Es ist also mit einem sehr viel stärkeren und sehr dynamischen Wachstum des Angebots zu rechnen! Denn es sind ja nicht nur die Inhalte der Verlage, die in das digitale Geschäft erst einsteigen. Verlage, die schon länger E-Books veröffentlichen, publizieren ja weiterhin neue E-Books. Die Anzahl der Titel wächst also nicht linear und im Verhältnis zur Anzahl der digital publizierenden Verlage. Zudem gibt es Erfahrungen dahin gehend, dass sich auch der Umsatz, der mit E-Books gemacht wird, nicht proportional im Verhältnis zur Anzahl der Titel verhält. Je mehr Inhalte ein Verlag anbietet, umso mehr verkauft er insgesamt.

Besondere Bedeutung hat aber eine andere Zahl, die von ZEIT ONLINE leider überhaupt nicht angeführt wird. Und die bezeichnet den Anteil, den E-Books am Gesamterlös der Verlage haben. Gern zitiert man die Zahl “1% vom gesamtem Buchmarkt” (bislang “unter 1% vom gesamten Buchmarkt”), um den Erfolg oder Mißerfolg von E-Books zu belegen. Dieser 1% Marktanteil aber schließt genau die Verlage mit ein, die eben kein digitales Angebot haben. Diese Prozentzahl kann also höchsten ein Hinweis dafür sein, wieviel Geld die Verlagsbranche insgesamt mit E-Books umsetzt. Viel wichtiger ist aber doch (für Verlage) die Frage, wieviel Prozent ihres Gesamtumsatzes die Verlage mit E-Books erzielen, die bereits aktiv digital publizieren. Dieser Anteil liegt im Durchschnitt bei 6,2%, so Börsenverein und GfK. Für 2015 (das ist in drei Jahren!) prognostizieren die Verlage sogar einen Umsatzanteil von 17%!

Wohl angemerkt auch hier: Im Durchschnitt! Ich finde diese Zahl ganz unglaublich gut!

Schaut man sich die deutsche Verlagsbranche und ihr digitales Angebot einmal genau an, dann wird man feststellen, dass es eine Vielzahl von Verlagen gibt, die weniger als 100 Titel über die Shops an Endkunden anbieten, nur 25% der Verlage haben mehr als 100 Titel, im Durchschnitt bieten Deutsche Verlage 162 E-Books an. Interessant wäre es zu erfahren, wie viele E-Books Verlage im Verhältnis zu ihrem gesamten Sortiment anbieten. Denn dann könnte man den Umsatz-Anteil von 6,2% noch einmal besser interpretieren und verstehen, was er für die Verlage bedeutet, die mehr oder weniger als 162 Titel digital veröffentlichen.

Man muss sich allen Ernstes fragen, wie die ungenannte Autorin oder der ungenannte Autor des Kommentars auf ZEIT ONLINE zu seiner Erwartungshaltung kommt, die eine solche Enttäuschung erzeugt. Denn die von Börsenverein und GfK veröffentlichten Zahlen entsprechen exakt den Prognosen der hinlänglich bekannten Studien und bestätigen sie vollumfänglich. Der deutsche Markt entwickelt sich erwartungsgemäß. Man kann sich jedoch nur wünschen, dass man bei der Bewertung des Marktpotenzials in den Medien in Zukunft einmal die Zahlen herbeizitiert, die das Potenzial für diejenigen beschreibt, die sich an dem Markt auch tatsächlich beteiligen.

Drei weitere Aussagen der Studie zum Schluss, die hoffnungsfroh stimmen (zumindest aus der Sicht der Leserinnen und Leser):

– Der durchschnittliche Verkaufspreis von E-Books hat sich von 10,40 EUR im Jahr auf 8,07 EUR reduziert.
– Verlage sprechen sich deutlich gegen technische Kopierschutzverfahren (DRM) aus.
– Der EPUB-Standard hat sich in Deutschland als E-Book-Format durchgesetzt!

Für die Entwicklung des E-Book Marktes bedeuten alle drei Punkte eine Fortsetzung des dynamischen Wachstums.

Von Stockungen also keine Spur!