Das weltweite Informationsangebot hat die Grundlagen und Regeln wissenschaftlicher Kommunikationen sowie ihrer akademischen Publikationspraktiken neu definiert: „Academic publishing is electronic publishing“ ist eine These, der sich Verlage und Institutionen inzwischen gleichermaßen anschließen – mit Konsequenzen. Die Menge digitalisierter Quellen, elektronischer Publikationen und digitaler Fachinformationen, die für Akademiker und Forscher bereits jetzt konstitutiver Bestandteil wissenschaftlicher Literaturversorgung sind, wächst rasant. Die Nachfrage nach elektronischen Publikationen steigt weiter kontinuierlich.

Für Nutzer ist das Angebot an digitalen Inhalten, die über die vielen unterschiedlichen Webseiten, über Vertriebsportale, Bibliotheksangebote, Campus- und Nationallizenzen etc. vertrieben werden, jedoch absolut unüberschaubar. Die Strukturen für den geregelten, nutzerorientierten und mediengerechten Vertrieb digitaler Publikationen werden der enormen Entwicklung von Angebot und Nachfrage zur Zeit keineswegs gerecht. Im Folgenden sollen deshalb zwei grundlegende Bedingungen für einen professionellen Vertrieb elektronischer Publikationen näher beleuchtet werden, nämlich digitale Inhalte übergreifend und zielgerichtet erschließen sowie unmittelbar über sie verfügen zu können.

Qualität der Suchergebnissen verbessern

Die bestmögliche Erschließbarkeit von Quellen und (wissenschaftlichen) Veröffentlichungen zu gewährleisten, ist seit jeher die Aufgabe von Archiven und Bibliotheken gewesen. Im digitalen Zeitalter aber scheinen sich Suchmaschinen zunehmend auch für Akademiker als erste Anlaufstelle für die Literatur- und Informationsrecherche zu etablieren. Aus gutem Grund, denn Suchmaschinen unterstützen die unkomplizierte und übergreifende Suche nach Fachliteratur in ungeahnter Weise, insbesondere dann, wenn sie Zugriff auf die Volltexte der Literatur- oder Datenbestände erhalten, diese indexieren und so in Form von Suchergebnissen zur Anzeige bringen können. Ob Suchmaschinen jedoch das Auffinden von konkret benötigten Forschungsinhalten erleichtern, ist eine andere Frage. Denn Tatsache ist, dass jede Suche die Menge der gefundenen Informationen prinzipiell zunächst vergrößert. Wer mehr als neue Inspirationen zu finden erhofft, wird eher enttäuscht.

Eine professionelle Literaturrecherche zeichnet sich dagegen dadurch aus, die Masse der gefundenen Ergebnisse sinnvoll zu selektieren und zu filtern, beispielsweise anhand von Metainformationen, welche die Datensätze der klassischen Recherchekataloge üblicherweise differenzieren. Neben Autor und Titel sind dabei auch Publikationsort und Erscheinungsjahr durchaus unterscheidungsrelevant. Im Zusammenhang mit digitalen Veröffentlichungen bleiben wichtige medienspezifische Informationen, wie z.B. Formate, digitale Standardnummern, Lizenzinformationen oder Nutzungsbedingungen für Online-Angebote bei der Recherche oftmals unberücksichtigt. So bleibt es weiterhin eine Aufgabe, im World Wide Web für mehr Transparenz im Bereich der Metadaten zu sorgen, auch um die Seriosität digitaler Angebote zu gewährleisten.

Die Qualität der Metadaten ist eine Sache, die Qualität der Suche eine andere: Zunehmend indexieren Suchmaschinen digitale Veröffentlichungen, um Nutzern zur besseren Erschließung von Volltexten eine Suche in diesen Texten anzubieten. Ein Problem für Nutzer wie Anbieter dieser Online-Angebote gleichermaßen besteht jedoch darin, dass elektronische Publikationen zum überwiegenden Teil in Dateiformaten (wie z.B. PDF) vorliegen, die – insofern überhaupt auslesbar – keine logischen oder strukturellen Einheiten, wie z.B. Kapitel oder Sätze, unterscheiden. Eine Volltextsuche in unstrukturierten Publikationen ist aber in technischem Sinne „dumm“, da sie keine zielgerichtete Suche ermöglicht. So stellt z.B. die bloße Information, dass ein gesuchter Begriff irgendwo in einem Dokument vorkommt bzw. bei einer Suche nach mehreren Begriffen der eine Suchbegriff auf Seite 15, der andere auf Seite 239 vorkommt, für Nutzer keinen wirklichen Mehrwert dar, will er doch wissen, in welchem Kontext ein Suchbegriff aufzufinden ist bzw. ob zwei gesuchte Begriffe in einem sinnhaften Zusammenhang zueinanderstehen, weil diese Informationen die Trefferrelevanz maßgeblich beeinflussen.

Professionelle Erschließbarkeit elektronischer Publikationen

Eine Übertragung klassischer Recherche- und Selektionsverfahren in eine digitale Medienwelt ist nicht nur sinnvoll, sondern auch umsetzbar. Um die Möglichkeiten wissenschaftlicher Online-Recherche wesentlich zu verbessern, müssen die gegebenen technischen Möglichkeiten ausgenutzt und umgesetzt werden! Dabei ist der Vorteil, den elektronische Texte gegenüber anderen digitalen Inhalten besitzen, enorm: Kein anderes Medium bietet so viele Optionen, den Inhalt selbst zum Auffinden von Inhalten zu nutzen. So benötigen Bilder z.B. Bildunterschriften oder Schlagworte, um gefunden zu werden. Bei elektronischen Textpublikationen hingegen können Über- und Unterschriften, Fußnoten, Querverweise, Referenzen, Literaturhinweise etc. technisch verarbeitet werden, linguistische und semantische Analysen eine strukturierte Suche unterstützen, um so das Potenzial der Indexierung von Volltexten wirklich auszuschöpfen und zu verhindern, dass Nutzer – in diesem Sinn sicher vergleichbar den Zeiten analoger Literaturrecherche, einer Zeit der Findbücher, Zettelkästen oder Bibliografien – weiter damit beschäftigt sind, Zettel für Zettel, Seite für Seite, Eintrag für Eintrag, Link für Link nach der tatsächlich gesuchten Literatur zu durchforsten.

Außerdem ist die potenzielle Verfügbarkeit zahlloser digitaler Inhalte keineswegs gleichzusetzen mit ihrer faktischen Verfügbarkeit. Auch wenn prinzipiell immer mehr Publikationen in digitaler Form vorliegen und von Suchmaschinen indexiert werden, trotz Verwendung digitaler Standardnummern, die den Weg zu den Dokumenten wesentlich beschleunigen, können sich Nutzer nicht darauf verlassen, dass sich hinter jeder Ergebnisanzeige einer Online-Recherche auch tatsächlich ein Dokument, gar das gesuchte Dokument verbirgt. Dies hat zur Folge, dass der einfachen Recherche nach Inhalten eist die mit sehr viel mehr Mühe verbundene Suche nach zuverlässigen Quellenangaben folgt. Bis zum gesuchten Dokument selbst ist es dann noch ein weiter Weg, der den Nutzer womöglich auf direktem Weg zu analogen Medien führt – in die Bibliothek oder die Buchhandlung.

Fazit

Trotz der Omnipräsenz digitaler Medien: Eine webseiten-, katalogs- oder sortimentsübergreifende gezielte Suche nach digitalen Inhalten war bislang nicht möglich! Somit wurde der Vorteil digitaler Inhalte, der insbesondere in ihrer schnellen, unmittelbaren, von Raum und Zeit unabhängigen Verfügbarkeit besteht, bislang noch gar nicht völlig ausgespielt. Gefunden wurden bislang die E-Publikationen, bei denen Nutzer wussten, wo sie suchen mussten, oder welche von der heimischen Universitätsbibliothek lizenziert wurden.Ein Grund dafür mag darin liegen, dass einem nutzerorientierten Vertrieb elektronischer Publikationen bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, der Fokus oftmals eher auf der Bereitstellung digitaler Inhalte gelegen hat. Deren Vertrieb und Vermarktung beginnen die Anbieter elektronischer Publikationen – abgesehen natürlich von den etablierten E-Publishern – erst seit kurzer Zeit zu beschäftigen.

Ein zentrales Rechercheportal, über das Nutzer alle verfügbaren digitalen Inhalte – kostenfreie und kostenpflichtige E-Publikationen von Verlagen, Institutionen, Archiven – in einer umfassenden Datenbank professionell recherchieren, über eine hochwertige Volltextsuche erschließen und jederzeit und von jedem Ort aus möglichst unmittelbar auf sie zugreifen können, mag ein erster, wichtiger Schritt sein.

Der Vertrieb elektronischer Publikationen erschöpft sich aber auch im wissenschaftlichen Umfeld nicht allein in ihrer Erschließbarkeit und Verfügbarkeit. Es genügt nicht, dass E-Publikationen einfach irgendwo da sind. Elektronisches Publizieren wird sich erst dann bei dem Nutzer etablieren, wenn Angebote und digitale Sortimente ein Profil gewinnen, wenn sie Nutzer durch Inspiration und Qualität überzeugen, wenn sie neue Nutzer anzusprechen und dauerhaft zu binden vermögen – auch durch Maßnahmen, die Geld kosten und sich üblicherweise wirtschaftlich rechnen müssen. Insofern finden die Auseinandersetzungen zwischen Institutionen und Verlagen im Kontext der Debatten über Open-Access-Modelle sowie der faktische Wettbewerb um Autoren und Publikationsprojekte unter recht unterschiedlichen Voraussetzungen, aber nicht immer unter ganz fairen Bedingungen statt.